ZEROplus

Fritz Balthaus, Jonas Burkhalter, Zilvinas Kempinas, Adolf Luther, Jakob Mattner, Otto Piene

23. Oktober 2009 – 16. Januar 2010

401contemporary, Berlin

“Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang.” (aus dem Zero-Manifest 1963) Mit der Ausstellung ZEROplus vereint die Berliner Galerie 401contemporary künstlerische Positionen, die im Geist der Zero-Bewegung entstanden sind. dee der Ausstellung ist ein generationsübergreifender Dialog: Klassische Arbeiten des Zero-Mitbegründers Otto Piene und des dem Zero-Umfeld entstammenden Adolf Luther stehen dabei reduziert-poetischen resp. ironisch-konzeptuellen Werken von Künstlern der mittleren Generation – Jakob Mattner und Fritz Balthaus – sowie jüngeren Statements von Zilvinas Kempinas und Jonas Burkhalter gegenüber. Die ZERO-Bewegung bildete sich Ende der 50er-Jahre um Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker in Düsseldorf und dauerte offiziell bis 1966 an. Sie revolutionierte die Kunst der Nachkriegszeit mit einer neuen, puristischen Bild- und Formensprache: Serielle Bildordnungen, vibrierende Lichtstrukturen, monochrome Flächen und dynamische Raumkonstruktionen lösten die traditionelle Komposition ab. In Verbindung mit einer internationalen Avantgarde um Yves Klein und Piero Manzoni markierte ZERO einen künstlerischen Nullpunkt und Neubeginn, der mit der vorherrschenden expressiven Gestik informeller Malerei radikal brach. Als Gestaltungsmittel verwendeten die Künstler nicht nur Farbe, sondern Feuer, Wasser, Licht und Rauch sowie technische und industrielle Werkstoffe wie Nägel, Aluminiumplatten, Glas, Spiegel und Leuchtkörper. ZERO verkörperte einen Zeitgeist, der der modernen Wirklichkeit gerecht werden und eine neue Lebensnähe ausdrücken sollte. ZERO hat damit einen wesentlichen Beitrag zu parallelen und späteren künstlerischen Entwicklungen geleistet und ist gerade in den letzten Jahren wieder verstärkt in das Blickfeld junger Künstler gerückt. Otto Piene (geb. 1928) thematisiert mit seinen Rauchzeichnungen, Raster- und Feuerbildern, Lichtballetten und Sky-Events Licht, Raum und Bewegung. Natur, Kunst und Technik werden dabei miteinander verschmolzen. Für seine Rauchzeichnungen ließ Piene Ruß von Kerzen durch ein Raster auf Papier dringen, um Licht und Dunkel zu versinnbildlichen. „In allen meinen Arbeiten werden einfache Naturkräfte artikuliert. Meine Sensibilität und mein Bewusstsein bilden den Filter, durch den hindurch die Elemente wirken. (…) Nicht Reflexe des Banalen, sondern Wünsche und Visionen eines universellen Lebensgefühls, das die Gegenwart mir eingibt, projizieren meine Bilder und Objekte. Sie konnten in der Zone Zero reifen. Jetzt nehmen sie Gestalt an und bekunden einen NEUEN IDEALISMUS.“ (Otto Piene, 1963) Adolf Luther (1912-90) gehört zu den radikalen Vertretern der Lichtkunst der 60er-Jahre. Mit seinen gläsernen Lichtschleusen und Hohlspiegelobjekten thematisierte er Licht als Energie im Raum, als Gegensatz zur materiellen Welt – eine Erscheinung, die den Bereich zwischen Bildobjekt und Betrachter einnimmt und an keinen Bildträger fixiert ist. Im Gegensatz zu ZERO verstand er Licht nicht als ästhetisches Phänomen, sondern als Voraussetzung für Sichtbarkeit. Ein leerer Raum war für ihn nicht als leer, sondern besetzt mit Licht, das er durch Rauch, Glas und Spiegel aufzeigte. „Meine Objekte wollen raumgreifend sein, im Raume stattfinden, Teil des Raumes sein, ihn artikulieren und aktualisieren (…). Um die Aktualisierung des Raumes zu bewerkstelligen, waren Raum-Medien zu entwickeln. Sie durften nicht mehr der Formenwelt angehören. (…) Diese Bedingung erfüllt nur ein unstoffliches, materieloses Medium, also Energie. Also Licht. (…) Die Untersuchungen an der Auffindung geeigneter Hilfsmedien zu seiner Sichtbarmachung haben meine Aktivität bestimmt.“ (Adolf Luther, 1971) **Jakob Mattner** (geb. 1946) schafft Skulpturen, die sich allein aus Licht und Schatten zusammensetzen. Fragile, geometrisch geformte Glasscheiben sind auf Augenhöhe an der Wand fixiert. Durch deren Beleuchtung entstehen immaterielle, planetarisch anmutende Lichtkompositionen, die an das Vokabular des russischen Konstruktivismus erinnern. Die Flüchtigkeit dieser Erscheinungen verleiht ihnen eine kosmisch-poetische Dimension. „Einige meiner Arbeiten sind so gemacht, dass sie die Strukturen unserer Welt verlassen und universale Strukturen aufzeigen. Die universale Struktur wird zum Inhalt des Bildes.“ (Jakob Mattner, 2005) Fritz Balthaus (geb. 1952) arbeitet mit Raum und Licht, um Wahrnehmungsprozesse offenzulegen. Mal analytisch-präzise, mal ironisch leichthändig deckt Balthaus mediale Mechanismen auf, mit denen Dinge als Bilder zur Erscheinung gebracht werden. So versucht ein Autofokus-Projektor vergeblich, ein diagerahmtes Stück Luftpolsterfolie scharfzustellen und produziert dabei – angesichts der dreidimensionalen Form – doch nur immer wieder ein neues, unscharfes Bild. Der litauische Künstler Zilvinas Kempinas (geb. 1969) verwandelt mit minimalen Mitteln Räume in poetische Energiefelder. Seine seriell angeordneten geometrischen Strukturen aus Magnetband oder Silbernadeln werden durch Licht und Bewegung künstlicher oder natürlicher Art dynamisiert – ein Effekt, den der Betrachter durch das Umwandern der Skulpturen noch erhöht. Kempinas‘ abstrakte Formationen, die an die Wahrnehmungsexperimente von Op Art und kinetischer Kunst erinnern, spielen trotz ihrer visuellen Reduktion mit Naturerscheinungen wie Wind, Sonne oder Regen. „Der Wind der Ventilatoren ist ein unsichtbares Element, aber man fühlt es mit seinem ganzen Körper im Raum. Man begreift sofort, dass der Wind der Ventilatoren die Skulptur trägt. Es ist kein Sockel, keine Schnur, kein Seil, noch nicht mal ein Boden – sondern ein unsichtbares Material. (…) Ich schaffe gerne Illusionen und dekonstruiere sie zugleich.“ (Zilvinas Kempinas, 2008) Der Schweizer Künstler Jonas Burkhalter (geb. 1983) beschäftigt sich mit Raumbedingungen und der Umkehrung von Zwei- und Dreidimensionalität. Für seine Arbeit „Ohne Titel“ (2006) grundierte er eine Leinwand zunächst, um darauf zu malen – entschied sich dann aber dafür, sie zu vakuumieren, so dass sie in den Hohlaum des Keilrahmens gedrückt wurde: In der Tradition Lucio Fontanas verweist die Leinwand so auf den Raum hinter dem Bild und wird zum dreidimensionalen Objekt.

English

“Zero is silence. Zero is the beginning.” (from the Zero Manifest, 1963) With the ZEROplus exhibition (Oct 23rd, 2009 – Jan 16th, 2010), Berlin-based gallery 401contemporary unites artistic positions stemming from the spirit of the Zero movement. The idea behind the exhibition is to create a dialogue that spans generations: In the process, classic works by Zero co-founder Otto Piene and by Adolf Luther, a descendant of the Zero milieu, will come face to face with the respectively reduced and poetic and ironic conceptual works of artists of the middle generation – Jakob Mattner and Fritz Balthaus – as well as more recent statements by Zilvinas Kempinas and Jonas Burkhalter. The ZERO movement was established by Heinz Mack, Otto Piene and Günther Uecker in Düsseldorf at the end of the 1950s and lasted officially until 1966. It revolutionised the art of the post-war period with a new, puristic image and design vocabulary: Serial image orders, vibrant light structures, monochrome surfaces and dynamic spatial constructions took the place of traditional composition. In connection with an international avant-garde that included Yves Klein and Piero Manzoni, ZERO marked an artistic ground zero and a new beginning that radically broke from the prevailing expressive gestures of “informel” painting. The artists made use not only of paint as a design medium, but also fire, water, light and smoke, as well as technical and industrial materials like nails, aluminium sheets, glass, mirrors and luminaries. ZERO embodied a zeitgeist, which was meant to do justice to a modern reality and express a new realism. The movement thereby made a crucial contribution to simultaneous and later artistic developments and, in the last few years, it has once again attracted more attention among young artists. Otto Piene (born in 1928) focuses on the themes of light, space and movement with his smoke drawings, grid and fire pictures, light ballets and sky events. Nature, art and technology are merged together in the process. For his smoke sketches, Piene allowed soot from candles to penetrate through a grate onto paper to symbolise lightness and darkness. ”Simple natural forces are articulated in all of my works. My sensibility and my consciousness form the filter through which these elements appear. (…) My pictures and objects project not reflexes of the mundane, but rather the wishes and visions of a universal awareness of life that the present instils in me. They were able to mature in the Zone Zero. Now they are taking shape and expressing a NEW IDEALISM.“ (Otto Piene, 1963) Adolf Luther (1912-90) is one of the radical representatives of the light art movement of the 1960s. With his glass light traps and concave mirror objects he focuses on the theme of light as energy in space as a contrast to the material world – a phenomenon that occupies the space between visual object and spectator and that is not focused on any one image carrier. In contrast to ZERO, he understood light not as an aesthetic phenomenon, but rather as requirement for visibility. For him, an empty space was not empty, but rather occupied by light, which he demonstrated with smoke, glass and mirrors. “My objects want to be expansive, to take place in the space, to be part of the space, to articulate and refresh it (…). In order to refresh the space, space media were developed. They could no longer belong to the world of forms. (…) This condition achieves only an immaterial, subjectless medium. Thus energy. Thus light. (…) The exploration of suitable auxiliary media for its visualisation determined my action.” (Adolf Luther, 1971) Jakob Mattner (born in 1946) creates sculptures that are composed only of light and shadows. Fragile, geometrically shaped glass panes are fastened to the wall at eye level. When they are illuminated, immaterial, seemingly planetary light compositions emerge, which are reminiscent of the vocabulary of Russian constructivism. The fleetingness of these apparitions lends them a cosmic-poetic dimension. “Several of my works are created such that they depart from the structures of our world and reveal universal structures. The universal structure becomes the content of the image.” (Jakob Mattner, 2005) Fritz Balthaus (born in 1952) works with space and light to reveal the process of perception. Sometimes analytic and precise, other times ironically light-handed, Balthaus exposes medial mechanisms, with which things are made to appear as images. Thus an auto-focus projector attempts in vain to sharpen the image of a piece of bubble wrap in a slide mount and thus produces – in view of its three-dimensional shape – just another new, blurred image. The Lithuanian artist Zilvinas Kempinas (born in 1969) transforms spaces into poetic energy fields using minimal resources. His serialised geometric structures made of magnetic tape or silver needles are dynamised by light and movement of an artistic or natural form – an effect that the observer increases by wandering through the sculptures. Despite their visual reduction, Kempinas’ abstract formations, which are reminiscent of the perception experiments of Op Art and kinetic art, play with natural phenomena like wind, sun or rain. “The wind of the fans is an invisible element, but one feels it in the room with one’s entire body. One understands immediately, that the wind of the fans is supporting the sculpture. It is not a pedestal, string, rope, not even a floor – but rather an invisible material. (…) I like to create illusions and deconstruct them at the same time.” (Zilvinas Kempinas, 2008) The Swiss artist Jonas Burkhalter (born in 1983) focuses on room conditions and the inversion of two- and three-dimensionality. For his work “Untitled” (2006) he initially primed a canvas in order to paint on it – but then decided to create a vacuum so that it was pressed into the cavity of the stretcher frame: In the tradition of Lucio Fontana, the canvas thus refers to the space behind the picture and becomes a three-dimensional object.