Doreen Garner
/ Capri

6. September - 26. Oktober

Capri, Düsseldorf

 

Doreen Garner entwirft Horrorobjekte von exquisiter Schönheit. Haut und Fleischfasern aus Silikon, schwarze Kraushaare, Kunstperlen, Spiegel und Swarovski-Kristalle sitzen auf Glasobjekten, die an Köpfe, Brüste und andere Körperwölbungen erinnern. Sie wirken wie Fetische, operativ zusammengeflickt, künstlerisch komponiert und sexuell aufgeladen: Monströse Objekte der Begierde und makabre Relikte von Missbrauch und Ausbeutung des schwarzen Frauenkörpers, der in den USA über Jahrhunderte hinweg medizinischen Experimenten zum Opfer fiel. So operierte Dr. J. Marion Sims – der sogenannte „Vater der modernen Gynäkologie“ – zwischen 1845 bis 1849 Sklavinnen absichtlich ohne Betäubung, da er schwarze Frauen für weniger scherzempfindlich hielt als weiße: eine bis heute in der Medizinindustrie der USA schwelende Annahme. Die Frauen wurden als bloße Versuchsobjekte benutzt, ihre Unterleiber ausgeschlachtet für Experimente, die weißen Patientinnen dienten. In ihrer künstlerischen Praxis greift Doreen Garner diese Erzählung auf und hält sie uns auf eine verstörende, aber auch lockende Weise vor Augen, so dass wir den Blick nicht abwenden können.

 

Bei ihrer Ausstellung bei CAPRI bezieht sich die Künstlerin auf die Schicksale der Frauen, die von Sims missbraucht wurden sowie auf die speziellen Fälle von Henrietta Lacks und Saartjie Baartman. Henrietta Lacks wurde ohne ihr Wissen Tumor-Gewebeprobe entnommen, aus der die erste unsterbliche menschliche Zelllinie kultiviert wurde. Nach ihren Initialen „HeLa-Zellen“ benannt, wurden sie u.a. für die Herstellung von Impfstoffen benutzt und dienten der Forschung von Krebs, HIV, giftigen Substanzen und Kosmetika. Bis heute wurden rund 50.000 Tonnen HeLa-Zellen kultiviert. Sie bilden die Grundlage eines immensen pharmazeutischen Marktes. Henrietta Lacks bekam nicht einmal einen Grabstein. Die Südafrikanerin Saartje Baartman wurde als 21jährige von Dr. William Dunlop nach London gebracht und als „Kuriosität“ auf Tour durch Europa geschickt. Als Angehörige der Koikhoi, einer Bevölkerungsgruppe, die als „Verbindungsglied zwischen Mensch und Affe“ betrachtet wurde, gab ihr Dunlop die Bezeichnung „Homo monstrosis monorchidei“. Baartman musste nackt und angekettet in Medizinseminaren und auf Partys auftreten, wo die Weißen sie anstarrten und beschimpften. Die Autorin Harriet Washington schreibt in ihrem Buch „Medical Apartheid“: „Erst starrten sie sie angewidert an, dann lachten sie sie aus und schließlich waren sie sexuell von ihr erregt.“ Baartman starb mit 27. Der Naturforscher und Zoologe Georges Cuvier, der mit Baartman auf einer „Party“ getanzt hatte, goss ihren Körper in Gips ab, bevor er ihn zerteilte und in Einmachgläser einlegte. Bis 1974 wurden ihr Skelett sowie ihre Genitalien und ihr Gehirn im Pariser „Musée de l’Homme“ ausgestellt.

 

Doreen Garner verwandelt das sado-rassistische Trauma dieser Frauen in Fragmente zwischen Schönheit und Grauen, die den Betrachter zum Voyeur machen und ihn automatisch eine fetischisierte, rassistische Perspektive einnehmen lassen. Ihre Skulpturen wirken wie amputierte Aliens, die uns anziehen und sofort wieder abschrecken: tot und lebendig, schillernd und morbide, grotesk und sexuell, barock und reduziert, sakral und anatomisch. Platziert auf verspiegelten Sockeln und von Scheinwerfern in Szene gesetzt, evozieren sie eine medizinische ebenso wie eine dekorative Präsentationsweise und verströmen zugleich die Aura von Reliquien.

 

Die Körper der Frauen, die in diesen Objekten eingeschrieben sind, gemahnen den Betrachter an ihre blutigen Qualen, von denen wir bis heute profitieren. Die Tatsache, dass Cuvier bis heute unter den 72 Namen hervorragender Personen auf dem Eiffelturm gelistet ist und J. Marion Sims ein Denkmal im New Yorker Central Park gesetzt wurde, das erst 2017 u.a. aufgrund von Doreen Garners Protest abgebaut wurde, zeigt, dass die Aufarbeitung dieser Art von rassistischem Missbrauch gerade erst am Anfang steht.

 

Doreen Garner (geboren 1986 in Philadelphia) lebt in Brooklyn, New York. Sie studierte Glasbläserei an der Rhode Island School of Design in Providence. Ihre Arbeiten und Performances waren u.a. in New York im MoMA P.S.1, in der Galerie JTT, bei Pioneer Works in Brooklyn und im Knockdown Center Queens zu sehen. Zudem stellte sie im National Museum of African American History, Washington DC aus.

 

 

 

Text: Gesine Borcherdt, Kuratorin von CAPRI

Courtesy by the artist; CAPRI; photo: Achim Kukulies