16. November - 21. Dezember 2019
Jochen Lemperts Fotografien zeigen stille, humorvolle Momente von Leben. Der Mensch taucht auf ihnen meist nur indirekt auf: Im Schatten eines Flugzeugs, hinter Türen oder auf leeren Straßen. Als studiertem Biologen gilt Lemperts Blick den Pflanzen und Tieren. Sie sind Stellvertreter einer Welt, die vor seinem Auge so zart und vieldeutig wird, dass sie dem Alltag entrückt und in einen Ort purer Poesie verwandelt wird. Der Schmetterling, der wie drapiert auf einer Türklinke sitzt. Das Taubenpaar, das auf einem Zebrastreifen flaniert. Die Fliege, die zielstrebig in Richtung Kamera fliegt. Die Glockenblume, die in Nahaufnahme zur Designerlampe wird. Die Wolke, die ihren Schatten auf die Erde wirft, als hätte sie das selbst so entschieden. Es sind beiläufige Momente zwischen natürlicher und gebauter Umgebung, die Lempert einfängt. Der Natur verleiht er eine Eigenständigkeit, die uns auf verblüffende und charmante Weise in ihren Bann zieht.
Stets in Schwarzweiß und mit der analogen Kleinbildkamera aufgenommen, wirken Lemperts Bilder zunächst neutral, geschaffen für wissenschaftliche Recherchen und Archive. Und tatsächlich unterwirft er das Ephemere und Zufällige seiner Bilder einer Ordnung und Serialität, die eine Liebe zur Ein- und Neuordnung verströmt. Motive, die er über Jahre hinweg angehäuft hat, kombiniert er immer wieder neu und bringt sie in verschiedenste Zusammenhänge, die ihnen ständig neue Eigenschaften entlocken. Ähnlichkeiten, wie sie in der Natur vorkommen, wenn etwa eine Beere und einem Eichhörnchenauge gleicht oder ein Blatt einem Flügel, werden deutlich, wenn bestimmte Bilder plötzlich nebeneinander hängen, die einzeln oder in anderen Konstellationen ganz andere Geschichten erzählen.
Jochen Lemperts Welt ist sensibel, leise und genügsam angesichts des großen Systems Natur, das sich wie ein magisches Netz über die Erde spannt. Es ist die Neugier auf die Täuschungen von Flora und Fauna, die den Blick des Biologen mit dem des Künstlers verbindet. Dieser Blick hat etwas Unschuldiges, beinahe Kindliches – und ist zugleich von einer schwerelosen Weisheit, die uns Demut lehrt gegenüber der Schönheit der Welt.
Jochen Lempert, geboren 1958 in Moers, lebt und arbeitet in Hamburg. Einzelausstellungen fanden unter anderem im Kölner Museum Ludwig, in der Hamburger Kunsthalle, bei Lulu in Mexiko City und im Sprengel Museum Hannover statt.
Text: Gesine Borcherdt, Kuratorin von CAPRI
Courtesy the artist, CAPRI, Foto 1: Achim Kukulies