24. Mai - 20. Juli 2019
Sam Falls schafft Vanitas-Bilder. Seine Werke sind geprägt von dem stillen Gedanken an Vergänglichkeit, Tod und Verschwinden. Seinen Malereien, Fotografien und Installationen wohnt das Gefühl der Zeitlichkeit inne, wie sie die Kunstgeschichte seit jeher, vor allem aber anhand von Natursymbolik dargestellt hat – man denke nur an die barocken Bouquets bei Caravaggio und Chardin, die Blumen und Bäume von Botticelli bis Odilon Redon. Falls schließt an diese Tradition an, bewegt sich dabei aber auf den Spuren der klassischen Konzeptkunst: Seine Werke haben stets eine gewisse Eigenständigkeit, sind zu einem wesentlichen Teil frei von der Hand des Künstlers. Aus dieser selbstbestimmten Dynamik entsteht Poesie, bei der allein Farbe, Pflanzen, Regen, Licht und Luft miteinander interagieren. Falls‘ künstlerischer Akt beschränkt sich darauf, ihnen einen neuen Kontext zu geben und auf diese Weise neue, weitgehend unkontrollierbare Bilder zu erzeugen.
So belegt Falls an verschiedensten Orten – in seinem Garten in Los Angeles, im Wald, auf Wiesen oder im Ödland, wo immer er hinreist – eine mit Farbe versehene Leinwand mit Pflanzen, platziert sie auf dem Boden und überlässt sie der Witterung. Nach einer Weile hinterlassen die Pflanzen Abdrücke in der durch Regen, Wind und Sonne verflossenen Farbe. Es ist ein Prinzip, ähnlich wie bei einem Fotogramm oder einer Cyanotypie: Die ersten Fotografien entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Naturwissenschaftlerin Anna Atkins Farne und andere Pflanzen auf Papier legte und der Sonne aussetzte. So entstand ein Belichtungsverfahren, dessen Abbilder sie in Büchern dokumentierte.
Der performative Akt, der Falls‘ Malereien innewohnt, und der Zufall, mit dem die Natur auf die Leinwand einwirkt, haben mit Dokumentation allerdings nur am Rande zu tun. Vielmehr verwandeln sie das Bild in eine in Echtzeit gelebte Erzählung über die Vergänglichkeit. Dabei wendet sich Falls ab von der großen, individuellen Geste der abstrakten Malerei: Stellten auch Jackson Pollock und Helen Frankenthaler ihre abstrakten Leinwände am Boden her, geht Falls in den Außenraum und überlässt die Bildwerdung der Hand der Natur. Sein bei CAPRI ausgestelltes Bild entstand eigens für diese Ausstellung während Falls‘ Aufenthalt in Frankreich im Frühjahr.
Auch seine Heliumballons verweisen auf das Verrinnen der Zeit. Ihre gläsernen Konturen hat Falls von den Körpern seiner Familie und Freunde abgeleitet. Er spricht von „Mikrokosmen des Alterns“: Schweben sie anfangs noch hoch im Raum, voller Energie und Leben, sinken sie im Laufe der Ausstellung immer weiter ab, bis sie kraftlos am Boden liegen. Hier bildet sich die Brücke zur Fotografie auf der Wand: Sie zeigt zwei Grabsteine eines Ehepaares, die sich mit der Zeit immer weiter abgesenkt haben und sich nun aneinander lehnen. Die Fotografie im Fenster schließlich sitzt in einer Light Box, die vom Tageslicht erhellt wird und ihre Intensität je nach Lichteinfall verändert und nachts schließlich unsichtbar wird.
Sam Falls, geboren 1984 in San Diego, Kalifornien, lebt und arbeitet in Los Angeles. Letzte Einzelausstellungen fanden u.a. dort im Hammer Museum statt, in The Kitchen, New York und in der Fondazione Giuliani in Rom. In Gruppenschauen war er letztes Jahr im Frankfurter Kunstverein und auf der Sydney Biennale zu sehen, davor im ICA Boston. Derzeit zeigt er Arbeiten auf der High Line in New York.
Text: Gesine Borcherdt, Kuratorin von CAPRI
Courtesy the artist, CAPRI; Foto 1: Achim Kukulies