Armory Show New York: Sammler profitieren von Trump
/ Die Welt

Die Zeit des Protests gegen die neue Regierung war kurz, jetzt wird wieder gefeiert: Auf der Armory Show in New York trifft man auf stille Kunst und euphorische Sammler beim Großeinkauf.

Die Welt, 4. März 2017

Mit allem hatte man gerechnet: leeren Gängen, traurigen Gesichtern, Protestkunst. Doch ausgerechnet auf der ersten amerikanischen Kunstmesse seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist alles wie immer. Nein, falsch. Es ist sogar noch viel besser. Gute Laune liegt in der Luft, keine Spur von dem „Dear Ivanka“-Geheul, mit dem Künstler noch vor ein paar Wochen vor den Trump Tower zogen, weil sie ihre Werke lieber nicht in den Homestorys der kunstsammelnden Präsidententochter sehen wollten. Doch Aktivismus war gestern.

Die Armory Show in New York zieht seit 16 Jahren das wohlhabende Publikum von Uptown Manhattan an – und das profitiert gerade enorm von Trumps Deregulierungskurs, der Aussicht auf Steuersenkungen für Reiche und von dem Börsenboom. Auch wenn sie seinen Extremkurs nicht mögen – viele Kunstsammler haben ihn gewählt und in den letzten Wochen gut verdient. Galeristen und Art Advisor freuen sich, Künstler zucken mit den Schultern. Nach all den aufgebrachten Posts und Protesten blickt der Kunstmarkt also nun ganz lakonisch wieder in sein Spiegelbild.

„Trump heizt die Börsen an. Die Sammler schwimmen jetzt im Geld“, sagt Johann König aus Berlin. Schon am frühen Nachmittag des Eröffnungstags ist sein halber Stand leergekauft: Eine Malerei von Kiki Kogelnik ging für 110.000 Dollar an ein Museum. Zwei Zeichnungen von Camille Henrot wurden für je 29.600 Dollar verkauft, ein Relief aus 50-Cent-Münzen und eine Bronzeskulptur von Alicja Kwade für 11.700 und 50.800 Dollar, eine Lichtbox von Jeppe Hein für 42.300 Dollar. Auf der Armory Show habe er schon immer besser verkauft als auf der parallel laufenden Messe Independent – auch das ein Satz, der hier häufig fällt.

Die Uptowner lieben ihre Armory Show und fahren generell ungern nach Downtown, wo der Ableger aus Brüssel sitzt. Genau diese Mischung aus Gewohnheit, Loyalität und Eskapismus passt zu dem, was Thaddaeus Ropac mit „Biedermeier“ meint. „Die generelle politische Stimmung im Land geht an den Sammlern nicht vorbei. Dennoch wird ihre Kauflaune nicht getrübt. Im Gegenteil: Kunst spendet Trost und ist auch eine Art Therapie.“ Die zwei Robert-Longo-Zeichnungen an seinem Stand zeigen eine US-Flagge (70.000 Dollar) und eine verschleierte Frau (50.000 Dollar). Beide Arbeiten sorgen beim Publikum für viel Gesprächsstoff und sind mittags so gut wie verkauft.

Sonst ist Politisches auf dieser Messe allerdings Mangelware – oder wenn, dann sind die Botschaften eher versteckt. Besonders elegant kuratiert wurde am Stand von Sprüth Magers: Hier treffen brüchige Flugzeugteile von Michail Pirgelis auf die Fotografie einer Cruise Missile von Thomas Ruff (85.000 Euro) und eine Bodenskulptur von Sterling Ruby, deren Form entfernt an eine Bombe erinnert (375.000 Euro). Die Galerie hat überlegt, ob diese Gesten nicht abschreckend auf amerikanische Besucher wirken könnten. Doch die Subtilität, mit der sich hier ein dystopisches Amerika zeigt, wird zum Blickfang: Eine raumgreifende Flugzeugskulptur für 90.000 Euro ist schnell reserviert.

Auf die ästhetische Antithese trifft man bei OTA Fine Arts aus Tokio: Der gesamte Stand ist eine kunterbunte, durchgeknallte Mischung aus Agitprop und Pop Art, mit comicartigen Protestplakaten und Astronauten, die aussehen wie Anime-Punks. Nobuki Takekawa widmet sich seit Fukushima der dunklen Seite der Geschichte – was hier so wirkt, als hätte er direkt auf die Lage der amerikanischen Nation reagiert, auch wenn der Galerist meint, es sei reiner Zufall, wenn hier „No Hate Under the Rainbow“ und „War Against War“ auf den Plakaten steht.

Gegenüber dann wieder Eskapismus – und an dem kann man sich kaum sattsehen. Jeffrey Deitch hat seine Koje dem Salon der Malerin und Grande Dame Florine Stettheimer gewidmet: In pinkfarbenem Interieur hinter Zellophanvorhang prangt eine Leihgabe der schillernden Malerin. „Asbury Park South“ (1920) zeigt eine Wimmelszene, umgeben von zahllosen Bildern von Künstlern, die sich ihr verbunden fühlen. Mit Kleinformaten von John Currin, Lisa Yuskavage, Elizabeth Peyton, Jack Smith oder Karen Kilimnik fühlt sich der Stand vollkommen schräg und versponnen an. Und selbst wenn da ein bisschen Biedermeier im Spiel ist: Der Raum ist eine Ode an die Freude, eine Hingabe an eine seltsam intime, weltabgewandte, teils spleenige Kunst, die in dieser Dichte eine völlig eigene Ausstellung ist. Die teuerste Arbeit für 500.000 Dollar war früh verkauft.

Dass man sich auf dieser Armory Show Zeit für detailbesessene Präsentationen nehmen kann, hat auch mit dem veränderten Layout der Messe zu tun. Dank des neuen Messedirektors Benjamin Genocchio sieht sie aufgeräumter und durchgestylter aus: Alte und neue Kunst ist nicht mehr ganz so strikt durch die zwei Piers am Hudson River getrennt, es gibt mehr und bessere Sitzinseln und Restaurants, was der früher immer etwas zusammengeschustert aussehenden Messe endlich ein professionelleres Flair verleiht – wenn man das so sagen kann bei einer Veranstaltung, bei der viele der international angesagtesten Galerien fehlen, weil sie eben an der Konkurrenzmesse Independent teilnehmen. Und wie jedes Jahr sucht man fast alle großen New Yorker Galerien vergeblich, denn sie stellen auf der Messe ADAA für amerikanische Händler zehn Taximinuten weiter an der Park Avenue aus.

Doch genau diese krude Mischung aus bekannten Großgalerien wie White Cube (London), Kamel Mennour (Paris) oder Eva Presenhuber (Zürich und ab Mai New York) mit kleineren Qualitätsadressen wie Kauffmann Repetto (Mailand), Andrew Kreps (NewYork), KOW (Berlin) oder Kadel Willborn (Düsseldorf) sowie einer ganzen Menge Kandidaten aus dem eher dekorativen Fach zeichnet die Armory Show seit jeher aus. In diesem Jahr sind 210 Galerien dabei. „Wir sind keine Franchise-Messe, sondern eine New Yorker Kulturinstitution. Unsere Partner sind die Zeitschrift ‚Artforum‘ und das Museum of Modern Art“, sagt Benjamin Genocchio.

Besonders spürt man das am Pier 92, wo die Nachkriegskunst ihren Schwerpunkt hat. Die Whitestone Gallery (Tokio/Hongkong) hat feine, teils figürliche und erstaunlich punktefreie Zeichnungen aus den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren von Yayoi Kusama mitgebracht, die noch nie in den USA zu sehen waren (150.000 bis 1 Million Dollar). Bei Repetto aus Mailand kosten Carol Ramas abstrakte, unterschwellig sexualisierte schwarze Collagen mit Gummiteilen aus den Siebzigern bis zu 110.000 Dollar. Und Bergamini E Gomide aus São Paolo zeigen zwei feine abstrakte Zeichnungen von Lygia Pape aus den Fünfzigern (165.000 und 320.000 Dollar) – der Zeit der Grupo Frente, einer Künstlergruppe, die den Weg zum Neoconcretismo ebnete. Es ist für die New Yorker der beste Einstieg in Papes große Schau, die im Mai im Met Breuer eröffnet. Die neue Location des Metropolitan Museum of Art liegt Uptown, nur zehn Minuten vom Trump Tower.

© Gesine Borcherdt