Autocenter. Berlins wahre Kunsthalle
/ art. Das Kunstmagazin

art. Das Kunstmagazin – März 2013

Das 2001 von den Künstlern Maik Schierloh und Joep van Liefland gegründete Autocenter gehört längst zu Berlins spannendsten Orten für zeitgenössische Kunst. Nach mehr als 150 Ausstellungen in Berlin-Friedrichshain zog das Projekt nun in einen unsanierten Plattenbau nach Mitte und eröffnete dort am Wochenende die erste Ausstellung.

Am Wochenende ist Berlins Kunsthalle in neue Räume gezogen. Moment. Berlins Kunsthalle? War das nicht dieses Projekt, das vor einigen Jahren als temporäre Kiste auf dem Schlossplatz Unter den Linden stand, um dann wieder im Sumpf der Berliner Kulturpolitik zu versinken?

Diese Karteileiche, die höchstens noch als Joker für müßige Debatten über Gegenwartskunstförderung in der Hauptstadt herhalten muss? Nein. Die wahre Berliner Kunsthalle heißt Autocenter und ist, nach zwölf Jahren im östlichen Studentenbezirk Friedrichshain, nach Mitte umgesiedelt – in eine ehemalige Jugendbücherei in einem unsanierten Plattenbau.

Das Ganze begann 2001 als Nebenprojekt des Clubs Lovelite vom Künstler Maik Schierloh, zwischen Ateliers auf einem alten Werkstattgelände. Schierloh mietete zusammen mit Joep van Liefland, ebenfalls Künstler, eine Halle an, in der Künstlerfreunde unverbindlich ausstellen konnten. Dann kamen die Freunde von Freunden. Und immer wieder neue Freunde. Das Autocenter wuchs zu einem Ort der Begegnung, an dem in schneller Reihenfolge Namen aufpoppten, von denen viele heute am Kunstmarkt ganz oben rangieren, andere, die man längst vergessen hat, und jede Menge, die einfach Berliner Szene sind: Olivia Berckemeyer, Jonathan Meese, Tine Furler, Sergej Jensen, Maja Körner, Olafur Eliasson, Thomas Kratz, Amelie von Wulffen, Lara Schnitger, Astrid Sourkova, Alex Tennigkeit, Kalin Lindena, Frank Nitsche, Thomas Zipp, Madeleine Boschan, Manfred Peckl. Über 150 Ausstellungen sind bis heute entstanden. Mal mehr, mal weniger kuratiert, mal international, mal nicht. Von Anfang an ging es im Autocenter nicht um Hierarchien und Profilierung, sondern darum, Kunst zu zeigen und nebenbei ordentlich zu feiern. Alles ohne Assistenz, Office und öffentliche Gelder. 2007 folgte der Umzug auf ein Schlachthofgelände – immer noch fern vom Kunstmarktgerangel in Mitte und Kreuzberg.

Das Autocenter ist kein demokratischer Kunstverein

"Wichtig sind neue Impulse und eine offene Dynamik", erklärt Joep van Liefland die unerschöpfliche – und unentgeltliche – Energie, die er und Schierloh für die Halle aufbringen. "Wir schreiben hier unser eigenes Modell. Dabei entwickeln wir nicht nur uns, sondern auch andere Künstler und Berlin immer weiter. Es geht ums ständige Experimentieren." Die Projekte wählen die beiden allerdings genau aus – das Autocenter ist kein demokratischer Kunstverein oder gar eine Carte Blanche für das, was anderswo durchs Raster fällt. Doch was zählt, ist die Offenheit für alle Ziele, Personen, Konzepte und Kreise. Im Autocenter wird nicht eine bestimmte Szene bedient – Erwartungsgemäßes ist anderswo. Im Zentrum stehen die Künstler selbst und kein Programm, mit dem Institutionen und Galerien anderswo Imagepflege betreiben. Eine Haltung mit großer Fangemeinde: Zum zehnjährigen Jubiläum des Autocenters kam eine Benefizauktion zustande, die 85 000 Euro einspielte. Erstmals war Geld da. Und seitdem gibt es auch einen Freundeskreis, bei dem man für 50 oder 250 Euro pro Jahr Mitglied werden kann.

Der Umzug in die Hochhausgegend nahe Friedrichstraße und Gendarmenmarkt ist nun wieder ein neuer Schritt: hinein ins Zentrum, hin zu mehr Professionalität – auch wenn die Eröffnungsausstellung "The Legend of the Shelves" mit 159 Kleinarbeiten in den aufgeklappten muffig-grünbraunen Bücherschränken eben eher nach Berlin 1993 aussieht, als nach Kunsthalle 2013. Wer will, kann hier günstig etwas von Olaf Nicolai, Lisa Junghans oder Maximilian Rödel kaufen. Wer nicht, staunt über die Möglichkeit einer Insel – mitten im Sumpf der Berliner Kulturpolitik.

© Gesine Borcherdt