Björn Braun
/ Capri

16. Januar – 8. März 2015

CAPRI, Düsseldorf

Gefördert durch die Modern Collections-Stiftung

Welches Bild haben wir von der Natur? An welcher Schwelle trifft sie auf ihr Gegenteil – Kultur, oder vielmehr Zivilisation? Und wie sieht es aus, wenn sich beide überlagern? Genau um diese Schnittmenge geht es Björn Braun (geboren 1979 in Berlin). Seine Skulpturen sind Zwitter aus Natur und Künstlichkeit, die von der Sehnsucht des Menschen nach Verortung in der Welt erzählen. Obwohl in diesem Ansatz die Melancholie der deutschen Romantik aus dem frühen 19. Jahrhundert anklingt, schlägt Braun ästhetisch den Bogen über die jüngere Kunstgeschichte bis in die Gegenwart: Die reduzierte Abstraktion seiner Objekte erinnert an den poetischen Purismus der Arte Povera, deren mystische Aufladung Braun jedoch mit einem leichten, humorvollen Unterton konterkariert – etwa wenn er Landschaftsbilder vom Flohmarkt in Aluminium abgießt, so dass daraus monochrom schillernde Wandobjekte werden, auf denen man von der Vorlage nur noch den Pinselduktus erkennt. Vor allem aber stehen von ihm verwendete Materialien wie Plastik, Fiberglas, Epoxidharz und eben Aluminium für eine Generation, die im Zeitalter des Anthropozäns zwischen artifiziellen und natürlichen Dingen kaum noch unterscheidet. Als Braun bei einem Spaziergang an den Mulden vorbeikam, in denen Wildschweine sich suhlen oder schlafen, setzte er sich hinein, fühlte sich augenblicklich wohl – und griff bei seinem Abguss auf Fiberglas zurück, woraus auch der Eames Chair gemacht ist: Der „Wildschweinkessel“ wird zum Abbild einer funktionalen Größe aus der Natur, und verweist zugleich auf den menschlichen Körper, der sich sein ideales kulturelles Pendant dazu geschaffen hat. Tatsächlich sind es immer wieder die in die Landschaft eingebetteten Rückzugsorte und Rastplätze, Behausungen und Verstecke, die bei Braun zum Symbol für Schutz und Kontemplation werden. Dazu zählen auch die Nester, mit denen er einem breiteren Publikum bekannt wurde. Er stellt sie mit Hilfe zweier Zebrafinken-Männchen her: Vögel, die Nester nicht nur zum Brüten sondern auch zum Schlafen benutzen. Braun legt ihnen diverse Materialien hin – Schnüre, Zweige oder Plastikfäden – aus denen sie Brauchbares für ihren Bau selektieren. Auf diese Weise entstehen Objekte, in denen Artifizielles und Natürliches eine Symbiose eingehen. Das Video Untitled (2012) ist eine Art „Making Of“ dieser Nester. Zugleich destilliert es Brauns grundsätzliche Arbeitsmethode heraus: Zwischen ihm und denn Tieren findet Teamarbeit statt. Er selbst hat am Endergebnis nur insofern Anteil als er eine Vorauswahl des Materials trifft. Ähnliches gilt für die Wildschweinkessel und Landschaftsgemälde: Die Dinge existieren bereits, in der Natur oder Kultur oder auch nur in der Vorstellung von beidem. Bei Braun durchlaufen sie eine Metamorphose – und verwandeln sich in neue Bilder.

Fotos: Achim Kukulies, Düsseldorf

Courtesy by the artist; CAPRI; photo: Achim Kukulies