artnet – 18. November 2011
Musste das wirklich sein? Musste man Konrad Klapheck, dessen seltsam-surrealistische Bilder von Schreib- und Nähmaschinen, Baggern, Bügeleisen und Badewannenarmaturen ab 1955 vierzig Jahre lang sexuell verklemmte BRD-Häuslichkeit und die Abgründe des technischen Zeitalters auf eine ästhetische Formel brachten, die in der Nachkriegsmalerei ihresgleichen sucht – musste man also diesen Maler unbedingt in all seiner Spießbürgerlichkeit enttarnen, der sich zwar einerseits sein Erfolg verdankt, die ihm aber nunmehr die Züge eines lüsternen Greises verleiht und sich in Bildern niederschlägt, deren illustrative Biederkeit sich wie eine muffelnde Häkeldecke um den Betrachter legt? Hätte man ihm seinen Altherrengestus nicht einfach nachsehen können und dessen Resultate wegsperren – am besten in den Schrank seines verstorbenen Vaters, der ihn schon als kleiner Junge faszinierte und Anstoß gab zu großartigen, rätselhaften Werken wie *Der Krieg* (1965) oder *Die Stiefmutter* (1967)? Hätte man diesen Künstler, der in seiner Biografie nicht nur sein Abitur, sondern auch die Todesdaten von Mutter und Gattin angibt, nicht besser vor sich selber schützen müssen? Weshalb sonst zeigte David Zwirner 2007 nur Werke aus dem Maschinenzeitalter des 76jährigen, pensionierten Düsseldorfer Akademieprofessors?
Eben deshalb darf man wohl fragen, warum denn nun der Berliner Galerist Michael Haas dem Wunsch des Künstlers nachkam und neben zwei späten Maschinenbildern das zeigt, was man lieber nicht gesehen hätte: Den schütteren Maler mit picassoartig verdrehtem Profil und sein Modell in starrer Pose (*Das Atelier*, 1992). Den Salontanz von weißer und schwarzer Kurtisane, während Methusalem mit schlaffem Glied an einen Stuhl gefesselt sitzt, über ihm ein fiedelnder Amor (*Das Esszimmer*, 2002). Oder das Weihnachtsbild der Ausstellung: Santa Claus in einer tapezierten Wohnhölle, mit nacktem Mädel auf dem Schoß und spillriger Tanne samt Gabentisch neben sich, wozu eine graugrimmige Tante Cognac serviert – wenn schon Nikolauskunst, dann doch lieber Rentiere im Hamburger Bahnhof. Getoppt wird diese Serie ungelüfteter Stuben nur durch ein frostiges Festival afroamerikanischer Musikanten: Die Trommler und Saxophonspieler, die der Jazz-Fan Klapheck hier auf die Leinwand gebracht hat, könnten genauso gut von der Hand eines akribisch pinselnden Bildungsbürgers oder gleich aus dem Band „10 kleine Negerlein“ stammen. Selbst, wenn man Klapheck ein Faible für Rollenspiele im weitesten Sinne auch in seinem Frühwerk attestieren kann und es ihm heute laut Katalogautor Siegfried Gohr um „Liebe, Lebensfreude, Menschlichkeit, die Musik und den Tanz, d.h. um das ideale Bild eines humanen Miteinanders“ geht – Klapheck hat mit seinem Alterswerk, das ihn immerhin schon seit 14 Jahren beschäftigt, die Farbpalette verfehlt und das Fettnäpfchen getroffen.
Nun ist Klapheck natürlich nicht der einzige Maler seiner Generation, dem das so geht. Jörg Immendorff, Markus Lüpertz, Georg Baselitz, Sigmar Polke oder Anselm Kiefer – mit ihnen allen ging jenseits der Pensionsgrenze der Wunsch durch, noch einmal den ganz großen Coup zu landen, sei es mit Kanzlerporträts, Mozartstatuen, Remixen, Kippbildern oder Atomkraftwerken. Doch gerade bei Klapheck, dessen manisch durchgemalte Maschinen eher etwas von Konzeptkunst innewohnt als von großen Gesten die ohnehin einen Hang zur Hybris haben wirkt der Schlenker zur naiven Narration wie ein Schonbezug, der sich schwer auf die Apparate gesenkt hat. Da hilft es auch nicht, Klapheck mutige Provokation unterzuschieben, wie Gohr es tut, um dann auch noch Marcel Duchamp, Francis Picabia und Fernand Léger heranzuziehen, nur weil die sich im Alter ebenfalls einem erotischen Realismus verschrieben hatten. Bei Klapheck wirkt die Rückkehr zum Akt nämlich nicht wie eine konsequente Ableitung aus jahrzehntelangen Experimenten. Stattdessen hat man das Gefühl, er wollte seiner bedingungslosen Haltung unbedingt ein Schnippchen schlagen oder endlich einmal ganz unverblümt das zeigen, was ihm beim Malen schon immer im Kopf herumschwirrte. Doch die frivole Verjüngungskur ging nach hinten los. Eher sieht man Veteranen wie Carl Andre oder Daniel Buren müde dabei zu, wie sie mit ihren Modulen die ewige Wiederkehr des Gleichen zelebrieren. Mit Klaphecks Spätwerk die Fratze des Alters aus und ihn selbst bloßzustellen, das musste wirklich nicht sein.
© Gesine Borcherdt