Stille, surreale Spiritualität. Zum Tod des Malers Norbert Schwontkowski
/ Monopol

Den tiefsten Themen zugewandt und von zarter Melancholie: Der Bremer Maler Norbert Schwontkowski hat ein ungewöhnliches Werk geschaffen, das von der Kunstwelt erst spät entdeckt wurde. Jetzt ist der Künstler im Alter von 64 Jahren gestorben. Ein Nachruf

Monopol – 17. Juni 2013

Auf die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, hat Norbert Schwontkowski einmal schlichtweg mit „Ja“ geantwortet. Möglicherweise war das Thema eines der wenigen, bei denen sich der Maler, der 1949 in Bremen geboren wurde, dort zeitlebens wohnte und eigentlich Priester werden wollte, ganz sicher war. In seinen Bildern ging es nämlich eher ums Zweifeln und Suchen, ums Verlorengehen und Sich-Sehnen, kurz: Um die großen, existenziellen Fragen des Lebens.

Schwontkowski warf den Menschen in reduzierte Landschaften hinein, wo er vergeblich gegen höhere Wesen ankämpfte – frei von Pathos, dafür voll von zärtlicher Melancholie. „Nachdenken über Steine“ heißt ein Bild, in dem sich ein Männlein ratlos über Geröll am Boden beugt. „Männer mit Brot“ ein anderes, auf dem wackelige Schatten, Baguettes umklammernd, durch die Wüste eilen. Und die „Alte Frau am Meer“ reckt ihren Spazierstock gegen die Wogen wie eine wütende Wiedergängerin von Caspar David Friedrichs prominentem Mönch. Himmel und Häuser, Bäume und Flamingos, Autos, Schläuche und Strommasten spielen in seinen Bildern mal selbst die Hauptrollen als brüchige Requisiten, mal irrt der Mensch zwischen ihnen umher – erschöpft, geschäftig, allein.

Tatsächlich ist Schwontkowskis Werk durchdrungen von einer stillen, surrealen Spiritualität, wie sie die deutsche Romantik heraufbeschwor. Ihr fügte er allerdings einen subtilen Witz hinzu, der auch ihn selbst zu einem amüsierten Melancholiker machte – mit schwarzer Hornbrille, gerne Schal und obligatorischer Zigarette wirkte er immer ein wenig wie aus dem Paris der 50er-Jahre herausgefallen, im Kopf Camus’ Idee von Sisyphos als glücklichem Menschen und Lautréamonts „Les Chants de Maldoror“ – das für ihn wichtigste Buch – unterm Arm.

Späte Entdeckung durch die Kunstwelt

Dass die sanfte Endzeitstimmung seiner Bilder niemals ins Illustrative kippt, hat auch mit der Maltechnik zu tun. Schwontkowski trug schichtenweise Pigment, Öl und Metalloxyd in Nass- in-Nass-Technik auf, was eine wächserne Patina hervorbrachte. Deren neblig-stumpfte Farbigkeit saugt jeden Erhabenheitsgestus in sich auf, schützt die Motive aber auch vor unterkühlter Ironie oder smarter Beflissenheit, weshalb Schwontkowski, der auch mit einem Bein in Berlin lebte, nie von der deutschen Malereiwelle mitgerissen wurde. Die Kunstszene hat ihn ohnehin erst relativ spät für sich entdeckt.

Erst zur Berlin Biennale 2006 stolperte man auf der Auguststraße in eine spärlich möblierte Wohnung, in der seine kleinen Bilder an den Wänden hingen wie Seufzer der Erleichterung: Die diskursemsige Sprödigkeit vorangegangener Biennalen hauchten sie ebenso nonchalant vom Tisch wie sie am damaligen Markthype um Nostalgie, Pop und Punk in der Malerei vorbeiwehten. Im Jahr zuvor hatte Schwontkowski erstmals bei der Galerie Contemporary Fine Arts ausgestellt, nach neun Jahren im Programm der Hamburger Produzentengalerie, der er auch weiterhin treu blieb. Trotzdem sollte es bis 2013 dauern, bis ihm erstmals auch Institutionen außerhalb von Bremen größere Einzelausstellungen widmeten: Verbunden mit dem ersten Kunstpreis der Stiftung Dieter Krieg ist die Schau im Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, die noch bis zum 15. August läuft. In Hamburg, wo
Schwontkowski an der Hochschule für Bildende Künste lehrte, zeigte der Kunstverein im Frühjahr eine große Werkschau.

Dort waren auch lauter kleine Skizzenblöcke mit vereinzelten Figuren oder Sätzen wie „We are one“ ausgebreitet – seine Bildideen nahmen hier ihren Anfang. Und so war sich Schwontkowski auch bei diesem Thema sicher: Auf die Frage, wie man ein berühmter Künstler wird, antwortete er nur: „Ganz einfach“. Am 14. Juni ist Norbert Schwontkowski nach schwerer Krankheit in Bremen gestorben.

© Gesine Borcherdt