Who's the Daddy?
16. November 2018 - 26. Januar 2019
Knallbunte Farbwelten, Cartoon-artige Figuren, dicht gewobene Anekdoten: Wong Pings Retro-Pop-Märchen sind nicht so harmlos, wie sie im ersten Moment scheinen. In seinen Video-Animationen zeigt der Künstler die dunkelsten Seiten einer Gesellschaft im Wandel auf. Eingebettet in atmosphärisch aufgeladene Räume, thematisieren sie unterdrückte Sexualität, zwischenmenschliche Beziehungen und politische Zwänge – mit einer Bildsprache voller schwarzem Humor, unterlegt mit Monologen von entwaffnender Ehrlichkeit. Wong Ping greift dabei auf Eindrücke aus seiner Kindheit und Jugend in Hong Kong zurück.
So basiert der Titel der Video-Animation „Who’s the Daddy” auf einem chinesischen Kinderreim. Auch die verspielte Optik vermittelt zunächst Infantilität. Doch die Unschuld wird konterkariert von dem düsteren, dystopischen Unterton der Erzählung: Ein Mann schildert seine schmachvollen Erfahrungen mit einer Partnerschaft. Über eine Dating-App findet er sein „Match“ bei einer streng religiösen Frau, mit der er eine Beziehung eingeht – nur um festzustellen, dass er Befriedigung allein aus seiner eigenen Unterwerfung ziehen kann. In seiner Machtlosigkeit folgt er ihren perversen Gelüsten und übernimmt schließlich die Rolle des alleinerziehenden Vaters. Die Rolle der Mutter ist zudem in der Licht-Box („Mammy“) im Raum versinnbildlicht: Das psychedelisch anmutende, aber in seiner körperlichen Fragmentierung verstörende Portrait einer Mutter mit Kind widerspricht jeder traditionellen Darstellung: Das Baby hängt noch an der Nabelschnur, von der Blut herabtropft, die Mutter ist ein Monster mit Brüsten, auf deren Brustwarzen Strohhalme stecken. Beides wirkt, wie alle von Wong Pings Animationen, hochgradig bizarr und künstlich.
Eines der wiederkehrenden Themen bei Wong Ping ist die Kontrolle von natürlichen Prozessen, Trieben und Träumen. „Who’s the Daddy“ zielt nicht nur auf unterdrückte Gefühle, die Schuld und Scham hervorbringen, sondern auch auf das Leiden, das daraus entsteht. Dennoch sind seine Filme keine bloßen Dystopien. Ihr Humor und ihre Ehrlichkeit haben etwas zutiefst Menschliches: Selbst die abgründigsten Sehnsüchte, Neurosen und Erniedrigungen seiner Protagonisten kommen uns bekannt vor. Wo sie sich selbst für ihre Fehler verurteilen, entsteht beim Betrachter Mitgefühl.
Wong Ping wurde 1984 in Hong Kong geboren, wo er lebt und arbeitet. Seine Bildsprache ist beeinflusst von Videospielen und von Mediendesign, was er in Australien studierte. Später arbeitete bei einem lokalen TV-Sender in Hong Kong. Parallel entstanden erste Kurzgeschichten, die er auf seinem Blog veröffentlichte und bald darauf in Form von Video-Animationen umsetzte. Seit 2010 veröffentlicht er sie auf YouTube.
Wong Pings Arbeit wurde erstmals in der Galerie Edouard Malingue (Hong Kong, Shanghai) sowie im M+ Museum in Shanghai (2015) im Kontext von Gegenwartskunst gezeigt. Es folgten Gruppenschauen wie die New Museum Triennale (2018) in New York und im Guggenheim Museum New York (2018). Auf der Londoner Frieze Art Fair 2018 erhielt er den Camden Arts Center Emerging Arts Prize.
Text: Gesine Borcherdt, Kuratorin von CAPRI
Courtesy by the artist; CAPRI; photo: Achim Kukulies